Liebe Mittelhessenblogleser: „Wissenschaftsministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) gibt in den nächsten Jahren 180 Millionen für die Grundfinanzierung der hessischen Hochschulen aus. Allerdings gekoppelt an die jeweilige Leistung in Forschung und Lehre.“ Mit dieser Meldung hätte das Mittelhessenblog heute gerne eine positive Botschaft über den Fortgang des hessischen Bildungskrimis ins Netz gestreut. Stattdessen stammt diese Meldung von Birgit Haas, einer Kollegin der Berliner Morgenpost und wird am 12. Juni 2010 ein Jahr alt.
Natürlich war nicht Kühne-Hörmann gemeint, sondern ihr Berliner Kollege Jürgen Zöllner (SPD), dem es darauf ankommt, dass die Berliner Universitäten im Wettlauf um Studenten nicht ins Hintertreffen geraten. In Hessen dagegen wurde heute ein Pakt besiegelt, der in der Art des Zustandekommens eher an die Erzwingung von Aussagen in einem spätmittelalterlichen Folterkeller erinnert, denn an eine vernünftige Prioritätensetzung zugunsten dessen, was das wertvollste Kapital eines an Rohstoffen armen Landes ist: Gut ausgebildete und gebildete Menschen, die sich ihr Wissen gerne in der Region holen und es ihr dann wieder mit wirtschaftlichem Mehrwert schaffender Kreativität zurückgeben: Mit einer protokollarischen Protestnote haben die hessischen Universitätspräsidenten in Wiesbaden das offiziell „Hochschulpakt“ genannte Dokument zwischen den Hochschulen und der hessischen Landesregierung unterschrieben. Darin drücken sie ihre Sorge aus, dass künftig die Qualität der Lehre unter den Folgen dieser Politik leiden könnte. Als einziges positives Moment sehen die Hochschulpräsidenten lediglich die Tatsache, dass sich die verteilten Mittel an der echten Studentenzahl und den tatsächlichen Belastungen orientieren sollen. Der vollständige Text der Protestnote kann hier heruntergeladen werden: Protokollnotiz Hess. Hochschulpakt 2011–2015. Immerhin: Statt der ursprünglichen 34 Millionen Euro sind es nur noch 30 Millionen, um die der Etat für die Hochschulen gekürzt werden soll.
Dass der Protest gegen die Kochsche Kürzungspolitik im Bildungsbereich auch aus einer Ecke kommt, die ihren aufstrebenden Erfolg eigentlich auch jener Partei zu verdanken hat, die nun die Mittel im Hochschulbereich kürzen will, mag ein Zeichen dafür sein, dass sich dieser Protest quer durch die Gesellschaft zieht: Am 6. Mai 2010 hatte das mittelhessische Medizintechnik-Netzwerk Timm ebenfalls den Offenen Brief der beiden Gießener Hochschulpräsidenten gebracht und auf den gleichgerichteten Protest der Marburger Philips-Universität hingewiesen. Das Netzwerk, dessen Name für Technologie und Innovation Medizinregion Mittelhessen steht, war unter anderem auch mit maßgeblicher Unterstützung des Landes Hessen etabliert worden, um gerade die mittelhessische Region als einen zentralen Standort rund Medizin und Medizintechnik in ihrer Entwicklung anzutreiben. Noch 2009 heißt es in einem Artikel des Gießener Anzeigers vom 2. November, dass in den vergangenen zwei Jahren ( Anm: seit dem Bestehen des Netzwerks) rund 40000 Menschen gegen den Trend der Wirtschaftskrise vom Erfolg profitiert hätten. Das Projektvolumen der Region sei in dieser Zeit um rund 3,2 Millionen Euro gestiegen. Diese Botschaft ist nun erst sieben Monate alt. Vor diesem Hintergrund erscheint die Politik der hessischen Landesregierung ein wenig wie vom anderen Stern. Und es drängt sich zum wiederholten Mal die Frage auf, wo der offen sichtbare parteiinterne Widerstand der beiden mittelhessischen CDU-Politiker Volker Bouffier und Dr. Christean Wagner bleibt, die beide wie Koch Juristen sind. Dass von der Opposition Widerstand gegen diese Pläne kommt, liegt in der Natur der Sache begründet. Interessanter wäre es, wenn Bouffier und Wagner sich an eine Maxime des Vaters der deutschen Sozial- und Politikwissenschaft erinnern würden: „Man kann sagen, dass drei Qualitäten vornehmlich entscheidend sind für den Politiker: Leidenschaft – Verantwortungsgefühl – Augenmaß“. Gesagt hatte das Max Weber.
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